Dipl.-Psych. Matthias Wengenroth
Psychotherapeutische Praxis

Schwerpunkt Zwänge


Ein besonderer Schwerpunkt meiner psychotherapeutischen Tätigkeit liegt in der Behandlung von Zwangsstörungen mit klassischen und innovativen verhaltenstherapeutischen Methoden. In erster Linie kommt die Expositionsbehandlung zum Einsatz, bei der Betroffene unterstützt werden, sich gefürchteten Situationen zu stellen, ohne in problematische Rituale zu verfallen, wodurch heilsame Lernerfahrungen angestoßen werden. Ergänzend nutze ich Elemente anderer therapeutischer Ansätze, die sich in der Behandlung von Menschen mit Zwängen als wirksam erwiesen haben, insbesondere aus der Akzeptanz- und Commitmenttherapie sowie der Inferenzbasierten Therapie.

Was sind Zwänge?

Zwänge sind eingefahrene Muster im Verhalten und Denken, die der Betroffene zwar meist als sinnlos und störend erlebt, die er aber nicht ohne weiteres abstellen kann. Er fühlt einen starken Drang, bestimmte Handlungen auszuführen oder über bestimmte Dinge nachzudenken. Die erwünschte Wirkung – Entspannung, Sicherheit, Wohlbehagen – tritt jedoch, wenn überhaupt, nur vorübergehend ein, auf die Dauer nehmen Stress, Anspannung und Unbehagen eher noch zu. Der Aufwand, der betrieben werden muss, wird immer größer. An schlechten Tagen beschäftigen sich manche Betroffene viele Stunden lang mit ihren Zwängen. Es wird dadurch oft schwer, noch Aufgaben und Verpflichtungen nachzukommen oder Freude am Leben zu haben und Dinge genießen zu können. Die Auswirkungen auf die Lebensqualität können enorm sein, was nicht selten in einer großen Frustration, Erschöpfung, Niedergeschlagenheit oder gar in einer ausgewachsenen Depression mündet.

Wie sich Zwänge im Einzelfall äußern ist sehr unterschiedlich. Relativ bekannt sind Wasch- und Kontrollzwänge, aber es gibt noch viel mehr Arten von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Fast immer sind der Ausgangspunkt bestimmte Zweifel  (daher bezeichnen manche Experten den Zwang auch als Zweifelkrankheit). Diese Zweifel können alle möglichen Themen betreffen. Typisch sind Zweifel wie:

·       Ich oder Dinge in meiner Umgebung könnten schmutzig oder verseucht sein.

·       Ich könnte wichtige Dinge übersehen haben.

·       Ich könnte Dinge nicht so gemacht haben, wie es sein sollte.

·       Ich könnte anderen Schaden zufügen.

·       Ich könnte eine andere sexuelle Ausrichtung haben.

·       Ich könnte unmoralische Dinge tun oder verwerfliche Gedanken haben.

·       Ich könnte pädophile Neigungen haben.

·       Ich könnte in der falschen Beziehung leben.

·       Ich könnte mir bestimmter Vorgänge zu sehr bewusst sein.

·       Bestimmte negative Gedanken oder Gefühle könnten sich auf mich übertragen und mir schaden.

·       Vielleicht lebe ich gar nicht wirklich.

·       Ich könnte noch nicht genug über eine Sache nachgedacht haben.

·       Womöglich kann ich nie mehr aufhören, über eine bestimmte Sache nachzudenken.

Eng verknüpft mit diesen Zweifeln sind dann oft bestimmte Befürchtungen, z. B. krank werden zu können, Brände und andere schlimme Ereignisse zu verantworten, bestraft zu werden, ein schlechter Mensch zu sein oder zu werden, nicht mehr leistungsfähig oder für immer unglücklich zu sein. Und um diese befürchteten Konsequenzen abzuwehren, greifen dann die Betroffenen zu entsprechenden Maßnahmen, etwa übertriebenes Waschen oder Putzen, ständiges Überprüfen von Situationen oder inneren Regungen oder zu Gebeten oder magischen Handlungen, die Unglück verhüten sollen. Häufig werden auch Situationen, die solche Befürchtungen auslösen, so weit wie möglich vermieden oder nur unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorkehrungen aufgesucht (z. B. werden Desinfektionsmittel mitgeführt oder bestimmte gefährliche Gegenstände wie Messer verbannt). Oft wird auch sehr viel darüber nachgegrübelt, wie die Dinge „wirklich“ sind und was richtig ist und was falsch.

Grundlagen des therapeutischen Vorgehens

In der Therapie kommen wissenschaftliche begründete Methoden zum Einsatz. Das bedeutet, dass die Vorgehensweisen zum einen auf allgemein anerkannten Erkenntnissen über die Zwangsstörung und ihren Ursachen beruhen und zum anderen in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit überprüft wurden.

Das am besten erforschte psychotherapeutische Verfahren zur Behandlung von Zwängen ist die kognitive Verhaltenstherapie.

Ein Kernelement des verhaltenstherapeutischen Vorgehens ist die sogenannte Exposition mit Reaktionsverhinderung. Das heißt, der Therapeut unterstützt Sie dabei, sich den für Sie schwierigen Situationen zu stellen, ohne dem Impuls nachzugehen, das Zwangsverhalten auszuüben. Auf diese Weise treten verschiedene Lerneffekte ein, die die Stärke des Zwangs auf die Dauer schwächen.

Eine Reihe von Strategien haben sich zusätzlich als hilfreich zur Überwindung von Zwangserkrankungen erwiesen.

So kann es nützlich sein, sich bestimmte Fehleinschätzungen oder Denkfehler bewusst zu machen, die typisch sind für Menschen mit Zwangserkrankungen, und zu versuchen, alternative hilfreiche Einschätzungen für sich zu formulieren.

Weiterhin profitieren viele Patienten davon, zu lernen, schwierige Gedanken und Gefühle einfach zuzulassen, ohne sich näher damit zu beschäftigen oder dagegen anzukämpfen, und ihr Verhalten mehr daran auszurichten, was Ihnen wirklich wichtig ist.

Auch kann es nützlich sein, zu lernen, zwischen begründeten und unbegründeten Zweifeln zu unterscheiden und daran zu arbeiten, wieder mehr den Sinnen und seinem „gesunden Menschenverstand“ zu trauen.

Oft nähren sich Zwänge auch aus bestimmten verzerrten Vorstellungen über die eigene Person: Bin ich jemand – oder könnte ich jemand werden -, der keine Kontrolle über sich hat? Der zu dumm ist, zu nachlässig, unmoralisch, schwach, anfällig, nicht liebenswert? Es kann hilfreich sein, sich klarzumachen, wo man seinen „wunden Punkt“ hat und sich aus solchen falschen „Schubladen“ herauszuholen.

Wie Sie schon sehen, geht es bei einer Verhaltenstherapie nicht so sehr darum, herauszufinden, wodurch die Zwänge irgendwann entstanden sind. Vielmehr liegt der Fokus darauf, was sie am Leben erhält. Die Therapie setzt an den Denk- und Verhaltensmustern an, die den Zwang in der Gegenwart aufrechterhalten und versucht, diese gezielt zu verändern.

Und für Fachleute – oder wen es interessiert: Mein therapeutisches Vorgehen fußt auf der lerntheoretisch begründeten Verhaltenstherapie (VT), angereichert um Elemente aus der kognitiven Therapie (KT), der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) sowie der Inferenzbasierten kognitiven Verhaltenstherapie (ICBT).


Woran arbeiten wir in der Therapie?

Natürlich geht es in der Therapie darum, den Zwang und seine Symptome zu bekämpfen, weniger unter alltäglichen, harmlosen Situationen zu leiden und weniger unnötige und aufwändige Zwangshandlungen auszuführen.

Hilfreich ist es oft, wenn wir Ziele nicht nur negativ (wovon will ich weg?), sondern auch positiv formulieren: Wo will ich denn hin? Welche ganz konkreten Verhaltensziele Sie mit Hilfe der Therapie anstreben, ist natürlich sehr individuell und hängt stark davon ab, welche Lebensbereiche in Ihrem Fall betroffen sind und welche Ihrer Verhaltensweisen Sie als übertrieben oder überflüssig bewerten.

Aber darüber hinaus lassen sich auch allgemeine Ziele formulieren, die den meisten meiner Patienten wichtig sind und an denen wir in der Therapie arbeiten. Diese Ziele lassen sich mit folgenden Worten beschreiben:

Klarheit

Zu wissen, was real ist und was nur eine Vorstellung, und auch wieder in Kontakt damit zu kommen, wer man wirklich ist und was wirklich für einen zählt.

Offenheit

Sich für die Welt zu öffnen und seinen Weg zu gehen, auch wenn man sich dabei manchmal unsicher fühlt oder schwierige Gedanken hat

Vertrauen

Den eigenen Sinnen und dem, was man sicher weiß, wieder zu vertrauen (auch wenn es natürlich stimmt, dass es eine hundertprozentige Sicherheit niemals geben wird).

Flexibiltiät

Sich so zu verhalten, dass es zu der Situation passt und einen wirklich weiterbringt

Entschlossenheit

Entscheiden zu können, was man tun will und es auch umzusetzen, weil man sich nur so vorwärtsbewegen kann in die Richtung, in die man gehen will

Machen Sie sich klar, dass Sie dies in Bereichen Ihres Lebens, die nicht vom Zwang betroffen sind, durchaus können. Sie können klar, offen, vertrauensvoll, flexibel und entschlossen handeln – nur in bestimmten Situationen, in denen sich der Zwang meldet, fällt es Ihnen sehr schwer. In der Therapie geht es darum, auch wieder in diesen Situationen und Lebensbereichen das zu tun, wozu Sie ansonsten sehr gut in der Lage sind.

Man könnte auch sagen, es geht in der Therapie darum, sich die Freiheit zurückzuerobern, die einem der Zwang nach und nach geraubt hat. Und letztendlich geht es um …

Lebensqualität

Wieder das Leben zu führen, das einem vorschwebt, der Mensch zu sein, der man sein will, und den Spielraum zu nutzen, den man hat, um die eigenen Wertvorstellungen und Lebensziele in seinem Handeln zur Geltung zu bringen.

Hinweise zur Therapie

Ich kann Ihnen nur dazu gratulieren, sich zu einer psychotherapeutischen Behandlung Ihrer Zwangsstörung entschlossen zu haben. Sie nutzen damit eine reelle Chance, Ihre Symptome zurückzudrängen, möglicherweise die Störung sogar völlig zu überwinden und deutlich an Lebensqualität zu gewinnen. Sie profitieren umso mehr von der Therapie, wenn Sie sich klare Ziele setzen, diese nicht aus den Augen verlieren und die Zeit, die Sie in Therapie sind, aktiv nutzen, um Ihre Ziele zu erreichen – sowohl in den Sitzungen selbst als auch zwischen den Sitzungen.

Dies können Sie auf unterschiedliche Weise tun:

·       Informieren Sie sich gründlich aus zuverlässigen Quellen über die Störung und ihre Behandlung.

·       Arbeiten Sie in den Sitzungen aktiv mit. Versuchen Sie, alles nachzuvollziehen, was besprochen wird und fragen Sie nach, wenn Ihnen etwas unklar ist.

·       Berichten Sie möglichst ehrlich und offen von Ihren Schwierigkeiten. Mir ist bewusst, dass Ihnen manche Ihrer Gedanken und Handlungen möglicherweise peinlich sind. Glauben Sie mir: Welche Gedanken und Gefühle Sie auch immer haben – ich werde Sie nicht dafür verurteilen und auch keine Maßnahmen ergreifen, die sich gegen Sie richten. Mir haben schon viele Betroffene ihre abstrusesten, schauerlichsten und merkwürdigsten Gedanken berichtet, mich schockiert so leicht nichts mehr. Letztendlich kann sich jeder Mensch die abscheulichsten und abartigsten Dinge ausdenken, das besagt aber nichts über seinen Charakter oder darüber, ob er verrückt ist oder eine Gefahr für sich oder andere darstellt. Ich bin mir da hundertprozentig sicher. Wenn Sie bei bestimmten Theman (noch) nicht ins Detail gehen wollen, ist das natürlich auch in Ordnung, Sie entscheiden, wann Sie dazu bereit sind. Grundsätzlich gilt: Je mehr ich über den Zwang, die „Logik“ dahinter und das System an Regeln, das er Ihnen aufoktroyiert, weiß, umso besser können wir gemeinsam daran arbeiten, ihn zu überwinden.

·       Arbeiten Sie auch zwischen den Sitzungen an den Zielen, vor allem, wenn wir mit Expositionen beginnen. Nicht jede Exposition gelingt perfekt, nicht immer schafft man es, sich zu überwinden, und dem Zwang ein Stück Freiheit abzutrotzen, aber je mehr Sie sich auch schwierigen Situationen stellen, umso größer sind Ihre Chancen, Ihren Zwang in die Knie zu zwingen. Überfordern müssen Sie sich nicht: Wenn Ihnen ein bestimmter Schritt zu groß erscheint, schalten Sie einen Gang zurück und arbeiten Sie an einem Ziel, das Ihnen erreichbar erscheint. Auch mit Trippelschritten kommt man irgendwann über einen großen Berg.

·       Allerdings geht es nicht immer bergauf beim Erklimmen dieses Bergs. Rechnen Sie mit Rückschritten und schwierigen Phasen. Jeder Mensch hat gute und schlechte Tage, manchmal scheint man schnell und leicht voranzukommen, dann wieder ist es mühselig oder man hat den Eindruck, es geht nicht weiter. Gerade am Anfang der Therapie, wenn man beginnt, an seinem Verhalten zu arbeiten, macht sich ein Phänomen bemerkbar, das Experten „Löschungstrotz“ nennen. Der Zwang spürt sozusagen, dass es ihm an den Kragen geht, und legt noch mal so richtig los. Das ist vielleicht eine Herausforderung, aber letztendlich sogar ein gutes Zeichen: Es gerät etwas in Bewegung. Geben Sie nicht auf, sondern bleiben Sie beharrlich und ausdauernd. Es wird sich für Sie auszahlen.

·       Sprechen Sie Probleme an, auch oder gerade wenn Sie sich auf die Therapie oder auf mein Verhalten Ihnen gegenüber beziehen. Ich gebe mir große Mühe, Sie zu unterstützen, aber ich bin nicht perfekt. Bitte teilen Sie mir mit, wenn Sie sich nicht richtig verstanden fühlen oder Sie irgendetwas anderes an der Therapie stört. Dann haben wir eine Chance, zusammen herauszufinden, wie wir die Therapie besser gestalten können, so dass Sie davon auch wirklich profitieren.